Von 0 auf 100: Der Weg zum Ultra-Läufer (Teil II)

Heiko Müller, der für “Männer unter sich” schon mal eben kurz von Hamburg auf den Brocken gefahren ist, hat für uns eine vierteilige Serie über Ultra-Läufe geschrieben. Teil I (gestern) lieferte eine Einführung ins Thema, Teil II (heute) beschreibt interessante Ultra-Läufe in Europa. In den Teilen III und IV (nächste Woche) beschreibt Heiko Vorbereitung und Durchführung seines ersten 100-km-Laufs.

Welchen Ultra soll ich laufen?

Gute Frage. Sehr gute Frage. Und wirklich nicht leicht zu beantworten. Zunächst ja auch sehr verwunderlich. Wer ist schon so verrückt, einen Ultra zu laufen? Mehr als 50km am Stück? Das sind doch nicht viele, denkt man. Und für die paar Verrückte müssen doch 1-2 Event reichen. Mehr schafft doch eh keiner pro Jahr.
Weit gefehlt. Wer infiziert ist, der läuft auch 2,3,4 … viele Ultras pro Jahr. Und so kommt es, dass es jede Menge interessanter Veranstaltungen in dem Bereich gibt. Nein, es sind keine, wo zwanzigtausend am Start stehen und nein, die Medien sind meist auch nicht vor Ort. Vielleicht mal einer, der für eine lokale Zeitung schreibt, oder in seltenen Fällen sogar für eine Überregionale. Ultras sind nicht für die Masse, sie sind für die Klasse. Eine Klasse für sich.

Aber zurück zur Frage, welchen bzw. welche Art. Zu Unterscheiden sind Rundenläufe und Punkt-zu-Punkt-Läufe. Die ersten finden häufig in Stadien, auf kurzen Rundkursen oder ähnlichem statt. Vorteil hier ist, dass man keine Sorgen mit der Verpflegung hat. Man kann Kleidung deponieren, und wenn Support durch Freunde stattfindet, wissen die immer, wo man ist. Auf der nächsten Runde und man kommt gleich wieder.

Die Punkt zu Punkt Veranstaltungen sind meist große, einmal zu durchlaufende Runden oder aber wirklich so, dass der Anfangs- und Endort nicht identisch sind. Das bekommt man in der Regel nur hin, in dem die Strecke quer durch die „Gegend“ führt, man nennt Sie demzufolge gern auch Landschaftsläufe.

Für Rundenläufe in Stadien habe ich persönlich nichts übrig, so kann ich dazu auch keinen empfehlen. Einen Rundenlauf aber, einen, der auch noch ein bisschen exotisch ist, einen, der einem bei den bloßen Zahlen schon den kalten Schweiß auf die Stirn treibt, einen solchen kann ich empfehlen. Den Mt. Everest Treppenmarathon. Wenn man den vollständig schafft (in 24 Stunden) hat man einen Doppelmarathon gelaufen und ist von den Höhenmetern einmal auf den Mt. Everest gestiegen und wieder hinab. Ein wahrlich beeindruckender Gedanke. Mir war das Erreichen der 100 Runden bisher nicht vergönnt. Aber der Kilimanscharo ist auch nett  und so bin ich mit meinen 70 Runden und 6000 Höhenmetern auf knapp 60km auch ein glücklicher Mensch. Nur wer einmal dabei war – es sind nur 60 Teilnehmer zugelassen – kann ermessen, welch tolles Wir-Gefühl sich unter den Läufern aufbaut. Man sieht sich pro Runde 2 mal, klatscht ab, spricht sich Mut zu oder trifft sich im Verpflegungszelt auf eine Tasse Kaffee mit Nudeln.

Bei den Landschaftsläufen sieht die Welt schon anders aus. Da wären Empfehlungen ohne Ende auszusprechen. Einer der ältesten Ultras, der seit über 50 Jahren ausgetragen wird, einer, den sogar viele kennen, ist Biel. Die 100km von Biel. Der Ultra schlechthin. Und weil er so einmalig ist, werde ich in Teil 3 und 4 der Serie beschreiben, wie ich Biel das erste mal unter die EVA Sohle genommen habe und hier nüscht weiter sagen.

Bekannt und berüchtigt ist natürlich auch der Rennsteig. Wellige 72km durch Thüringen. Landschaftlich reizvoll. Mit dem legendären Schleim als Wegzehrung. Einer der Läufe, der noch auf meiner Liste steht und irgendwann in der Zukunft mal mein sein wird.

Dann noch die kleineren Sachen. Sehr familiär ist der Fidelitas Nachtlauf in Karlsruhe. Wie viele Ultras geht er durch die Nacht. Bemerkenswert hierbei ist, das man auf den 80km im Mittel jeweils nach 4km Futter gereicht bekommt. Was für so einen langen Lauf alles andere als normal ist. Die Strecke ist schön gelegen und geht hinreichend auf und ab. Wandern am Ende ist kein Problem, die Zeitvorgaben sind so, dass auch Ultrawanderer dort starten können.

Und winzig und nur auf Einladung sind dann z.B. Läufe wie der HILL (Hildesheimer idyllischer Landschafts Lauf) und der KILL (Kein idyllischer Landschafts Lauf). Der erste ein 50iger der tagsüber als orientierungslauf mit Karte durch die Hildesheimer Berge geht. Der zweite ist nahezu identisch. Nur Nachts. Im November und nicht 50km sondern 50Meilen. Bei richtigem Wetter eine echte Herausforderung. Wer es beim Kill nicht schafft bekommt nur die Hälfte seiner „Hundemarke“, welche hier die Medaille ersetzt. Die andere Hälfte bekommt das Skelett des Veranstalters um den Hals gehängt.

In der Schweiz wäre noch der K78, der Swissalpine zu erwähnen. Mit 78km quer durch die Berge eine anspruchsvolle Veranstaltung, die Trittsicherheit erfordert und durch die Wetterwechsel im Gebirge eine gute Vorbereitung notwendig macht.

Und nein, dass sind nicht alle. Es gibt den LüHa Fun Run von Lübeck nach Hamburg, den Rodgau 50iger, zahlreiche 6,12 und 24std Läufe… wer noch mehr sucht kann bei der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung noch jede Menge Informationen finden.

Heiko, 50 Jahre, arbeitet am Tag, läuft nachts, sammelt Uhren, schraubt an Autos und liebt die Familie über alles. Heikos Seite ist schlusslaeufer.de.

Von 0 auf 100: Der Weg zum Ultra-Läufer (Teil I)

Heiko Müller, der für „Männer unter sich“ schon mal eben kurz von Hamburg auf den Brocken gefahren ist, hat für uns eine vierteilige Serie über Ultra-Läufe geschrieben. Teil I liefert eine Einführung ins Thema, Teil II (morgen) beschreibt interessante Läufe in Europa. In den Teilen III und IV (nächste Woche) beschreibt Heiko Vorbereitung und Durchführung seines ersten 100-km-Laufs.

Ultralauf? Außerhalb der Laufszene ist der Begriff Ultralauf nicht so häufig anzutreffen. Und auch innerhalb wird hier und da nachgefragt. Eine schnöde Definition sagt: Alles länger als Marathon ist Ultra. Eingebürgert hat sich so etwas wie, jenseits der 50km ist Ultra.

Jenseits der 50km? Für den Hobby Jogger oder Couch Potatoe sind 42,195km bereits eine lange Strecke. Und glaubt man den einschlägigen Magazinen, so ist ein Marathon bereits eine Sache auf die man sich lange und intensiv vorbereiten muss.
Ist ein Marathon lang? Muss man ewig trainieren um lange Strecken laufen zu können? Ich sehe schon die Mediziner wie Sie die Pumpgun durchladen und  mich aus dem Verkehr ziehen wollen, aber ich persönlich meine: Nein man muss nicht ewig lange trainieren um lange Strecken laufen zu können. Insbesondere nicht für Ultras. Warum?
Nun, beim Marathon ist es so, dass jeder – auch die, die noch nie einen gelaufen sind – mittlerweile Ideen haben wie lange man für einen Marathon brauchen sollte. Sub 4 (std.) ist ja fast schon Pflicht um Ernst genommen zu werden. Viele wollen Sub 3:30 erreichen, Sub 3 sind schon weniger. Aber es geht um Zeit. Am Stammtisch gilt ein Zieleinlauf beim Marathon nicht mehr viel. Macht doch Hinz und Kunz. Es kommt auf die Zeit an.
Das ist der Teufelskreis. Die meisten von uns würden wohl sagen: 42,195km Wandern, ja, das ginge wohl. Dauert, aber geht. Ein bisschen schneller und man ist schon Jogger. Das läuft dann auf Zeiten jenseits der 5, 6 Stunden hinaus. Na und? Wer nicht gerade in Guiness Buch der Rekorde will, nicht vom eigenen Ehrgeiz zerfressen wird, der kann auch mit so einer Zeit glücklich sein und sagen, ich habe es geschafft.

Jetzt zum Ultra. Wer der Hatz um Zeiten entgehen will, wer beim Laufen einfach nur an das Laufen denken will, wer lange Landschaften an sich vorbei ziehen sehen will, wer unter pre seniler Bettflucht leidet und Nachts eh kein Auge zubekommt, der sollte Ultraläufe machen.
Kaum jemand aus dem Bekanntenkreis wird eine über 100km gelaufene Zeit einsortieren können. Es wird nur ein entsetztes Staunen hervorrufen, wenn man von seinem ersten 100er erzählt. Niemand wird die Leistung anzweifeln, wenn man 50Meilen, nachts, im November, durch die Hildesheimer Berge gelaufen ist.
Ultra ist laufen um des Laufens willen. OK. Es gibt auch dort Menschen, die sich die Zeiten notieren. Aber es gibt auch Menschen, die sich elektrisch rasieren. Jeder wie er mag.

Halten wir also fest: Ultras sind lang und machen Spaß, die Berichte darüber rücken einen in den Mittelpunkt und haben einen nicht unerheblichen Wow-Faktor. Demzufolge will jetzt jeder Leser dieser Zeilen auch mal einen Ultra laufen und fragt sich nun:
Wie trainiert man den nun für einen Ultra? Das ist leichter als das Training für einen Marathon. Dort gibt es Tabellen, Tempoläufe, Ausdauerläufe, Intervalle, Steigerungen…. Wenn man sich Tipps für Ultras sucht, dann steht dat: Einfach so oft wie möglich lange laufen. Schlurfschritt eher als echtes Laufen. Bloß die Pfoten nicht so sehr heben. 100km, Schrittlänge vielleicht 80cm, wir sind ja im Ultraschlurfschritt, das macht 125.000 Schritte bis ins Ziel. Hebt man den Fuß pro Schritt nur 2cm höher, und wiegt der  Schuh ca. 250gr, dann habe ich am Ende die 250gr  2,5km in die Höhe gehoben. Oder was beeindruckender und aus physikalischer Sicht gleichwertig ist: 525kg einen Meter hoch.  Die im Alter ohnehin eintretende Fußheberschwäche wirkt sich hier positiv auf die Leistungsfähigkeit des Ultras aus.
Zu beachten ist hierbei, dass der Körper sehr schnell die Vorteile des flachen Schlappschrittes erkennt. Sobald er das gemacht hat, sind schnelle Zeiten auf den 10km oder die Marathon Bestzeit Geschichte. Das kann, sollte einen aber nicht stören.
Das langsamere Tempo, die geringere Schrittweite, das geringere Abstoppen bei der Landung führt zu deutlich weniger Belastung in den Gelenken. Mag widersinnig klingen, aber bei einem Ultra in moderatem Tempo sind die Belastungen geringer als bei einem Marathon in scharfen Tempo.

In der nächsten Folge geht es um ein paar interessante Ultras in Europa.

Heiko, 50 Jahre, arbeitet am Tag, läuft nachts, sammelt Uhren, schraubt an Autos und liebt die Familie über alles. Heikos Seite ist  schlusslaeufer.de.